Googles neue Glücksspielwerbe-Richtlinien: Viel Lärm um wenig?

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Googles neue Glücksspielwerbe-Richtlinien: Viel Lärm um wenig?
15. Oktober 2025 | 106 klicks

Googles neue Glücksspielwerbe-Richtlinien: Viel Lärm um wenig?

Einleitung: Der große Wurf, der keiner war

Als Google am 14. April 2025 seine überarbeiteten Glücksspielwerbe-Richtlinien weltweit in Kraft setzte, versprach der Tech-Gigant nicht weniger als eine Revolution: Mehr Transparenz, besserer Spielerschutz und das Ende illegaler Glücksspielwerbung. Die Ankündigung klang vielversprechend – verpflichtende Neuzertifizierungen für alle Anbieter, strikte Lizenzkontrollen und das Aus für zwielichtige Werbetreibende. Doch ein halbes Jahr später zeigt sich : Die Glücksspielwerbung ist keineswegs verschwunden. Nutzer sehen weiterhin täglich Anzeigen für Online-Casinos, Sportwetten und Poker-Plattformen. Die neuen Richtlinien vom 14. April 2025 weniger bewirken als erhofft. Was hat sich also wirklich verändert? Und warum klaffen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander?

Die neuen Richtlinien im Detail: Was Google versprochen hat

Die Kernelemente der im Februar angekündigten und im April umgesetzten Regeländerungen wirken auf dem Papier durchaus beeindruckend. Im Zentrum steht die verpflichtende Neuzertifizierung aller Werbetreibenden im Glücksspielbereich – und zwar ausnahmslos. Selbst Anbieter, die bereits seit Jahren über Google Ads werben, müssen den Prozess von Grund auf neu durchlaufen.

Alle Neuerungen der Glücksspielwerb Richtlinien:

Lizenznachweis als Grundvoraussetzung: Nur noch Anbieter mit gültiger, regionaler Glücksspiellizenz dürfen werben. In Deutschland bedeutet dies konkret: Ohne Erlaubnis der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) geht nichts mehr. Die Zertifizierung ist dabei an eine spezifische Website gebunden – wer mehrere Domains betreibt, benötigt für jede einzelne eine separate Genehmigung.

Verschärfte Inhaltsvorgaben: Überzogene Werbeversprechen sind tabu. Formulierungen wie „Garantierter Jackpot“, „Sichere Gewinne“ oder „100% Auszahlung“ verstoßen gegen die neuen Bestimmungen. Jede Anzeige muss zudem klar kennzeichnen, um welche Art von Glücksspiel es sich handelt, und Hinweise auf verantwortungsvolles Spielen enthalten.

Strengere Regeln für Affiliates: Besonders hart trifft es Vergleichsportale und Affiliate-Websites. Sie benötigen nun ebenfalls eine Google-Zertifizierung und müssen nachweisen, dass ihre Zielseiten ausschließlich auf lizenzierte Anbieter verlinken. Clickbait-Taktiken und reine Werbelinks ohne informativen Mehrwert sind nicht mehr zulässig.

Schutz vulnerabler Gruppen: Google setzt auf algorithmisches Targeting, um Minderjährige und gefährdete Personen von Glücksspielwerbung fernzuhalten. Durch Analyse des Nutzerverhaltens sollen Risikogruppen identifiziert und von entsprechenden Anzeigen ausgeschlossen werden.

Härtere Sanktionen: Bei Verstößen drohen schnellere Sperrungen. Wiederholungstäter riskieren permanente Accountsperren ohne Vorwarnung.

Realität: Warum Glücksspielwerbung nicht verschwunden ist

Die Realität: Warum Glücksspielwerbung nicht verschwunden istTrotz dieser umfangreichen Maßnahmenpakete bleibt Glücksspielwerbung omnipräsent. Die Erklärung dafür liegt in der Natur der Regeländerungen selbst – und in den Lücken, die sie bewusst oder unbewusst lassen.

Google Ads ist nur ein Teil des Problems: Die neuen Richtlinien betreffen ausschließlich bezahlte Werbung über Google Ads. Die organische Suche – also die regulären Suchergebnisse – bleibt davon völlig unberührt. Hier setzen illegale Anbieter gezielt auf Suchmaschinenoptimierung (SEO). Durch professionelle SEO-Maßnahmen erscheinen ihre Seiten prominent in den Suchergebnissen, ohne einen Cent für Werbung ausgeben zu müssen. Die GGL hat dieses Schlupfloch bereits identifiziert und fordert weitere Maßnahmen, doch bislang bleibt die organische Suche ein Freiraum für Schwarzmarktanbieter.

Legale Anbieter dürfen weiterhin werben: Für den deutschen Markt gilt: Alle Anbieter mit gültiger GGL-Lizenz können nach erfolgreicher Zertifizierung unverändert werben. Da die Zahl lizenzierter Anbieter in den letzten Jahren stetig gestiegen ist, gibt es schlicht mehr legale Werbung als früher. Nutzer nehmen daher kaum einen Unterschied wahr – sie sehen nach wie vor täglich Glücksspielanzeigen, nur stammen diese nun von lizenzierten statt von illegalen Anbietern.

Internationale Unterschiede verwässern die Wirkung: Googles Richtlinien sind zwar global, werden aber an lokale Gesetzgebungen angepasst. In Deutschland ändern sich die Vorgaben daher faktisch kaum, da bereits zuvor strenge Regeln galten. Google selbst spricht von „vereinfachten Wordings“ für den deutschen Markt – keine substanziellen Neuerungen. Anders sieht es in Ländern mit weniger entwickelten Regulierungen aus, wo die Änderungen deutlicher spürbar sind.

Der bürokratische Aufwand schreckt Kleine ab, nicht Große: Die Neuzertifizierung bedeutet zusätzlichen administrativen Aufwand. Für kleine Anbieter oder Affiliate-Seiten kann dies eine erhebliche Hürde darstellen. Große, finanzstarke Betreiber bewältigen den Prozess hingegen problemlos – sie verfügen über Rechtsabteilungen und Compliance-Teams. Das Resultat: Der Werbemarkt konzentriert sich auf wenige große Player, die noch sichtbarer werden.

Enforcement bleibt die Achillesferse: Richtlinien sind nur so gut wie ihre Durchsetzung. Google hat zwar härtere Sanktionen angekündigt, doch die Praxis zeigt: Die Überprüfung von Tausenden Anzeigen täglich ist eine Herkulesaufgabe. Automatisierte Systeme können getrickst werden, und manuelle Kontrollen sind ressourcenintensiv. Clevere Akteure finden immer wieder Wege, durch die Maschen zu schlüpfen.

Perspektive der GGL: Teilerfolge und offene Baustellen

Die GGL-Perspektive: Teilerfolge und offene BaustellenDie Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder bewertet die Entwicklung differenziert. Laut GGL-Vorstand Ronald Benter zeigt die geänderte Werberichtlinie „eine deutliche Wirkung“. Die Behörde beobachtet seit Einführung der Maßnahmen, dass keine bezahlten Anzeigen für unerlaubte Online-Glücksspiele mehr in den Google-Suchergebnissen auftauchen. Auch Vergleichsportale, die auf illegale Anbieter verlinken, sind weitgehend verschwunden.

Gleichzeitig betont die GGL jedoch unmissverständlich: „Es gibt weiterhin Handlungsbedarf.“ Das größte Problem bleibt die organische Suche. Illegale Betreiber nutzen professionelle SEO-Strategien, um ihre Rankings zu verbessern und trotz Werbeverbots hohe Sichtbarkeit zu erzielen. Die GGL setzt sich aktiv dafür ein, auch in diesem Bereich wirksame Einschränkungen zu etablieren, und führt konstruktive Gespräche mit Google.

Ein weiterer Kritikpunkt: Viele Werbemaßnahmen zielen weiterhin auf aggressive Neukundenakquise ab, was besonders im Online-Glücksspiel problematisch ist. Die GGL fordert striktere Überwachung durch die Aufsichtsbehörden und bleibt optimistisch, dass weitere Verbesserungen möglich sind.

Der ungeliebte Nebeneffekt: Konzentration auf Großanbieter

Der ungeliebte Nebeneffekt: Konzentration auf GroßanbieterEine unbeabsichtigte, aber vorhersehbare Folge der Verschärfungen: Der Markt konzentriert sich zunehmend auf kapitalstarke Großanbieter. Kleinere Unternehmen und Start-ups können die bürokratischen Hürden oft nicht stemmen. Die Kosten für Compliance, Lizenzierung und kontinuierliche Zertifizierung übersteigen ihre Budgets.

Große Betreiber mit internationaler Präsenz und professionellen Rechtsabteilungen profitieren hingegen. Sie können sich die Zertifizierung für multiple Websites und Märkte leisten und beherrschen das Spiel der Regulierung. Das Resultat: Weniger Vielfalt, höhere Werbebudgets der verbleibenden Player und potenziell steigende Preise für Werbeplätze.

Paradoxerweise könnte dies sogar kontraproduktiv wirken: Wenn legale Alternativen weniger vielfältig und attraktiv werden, weichen Spieler möglicherweise verstärkt auf unregulierte Angebote im Graubereich aus – genau das Szenario, das die Richtlinien verhindern sollten.

Fazit: Ein Schritt in die richtige Richtung – aber nur einer von vielen nötigen

Fazit: Ein Schritt in die richtige Richtung – aber nur einer von vielen nötigenGoogles neue Glücksspielwerbe-Richtlinien sind kein zahnloser Tiger, aber auch keine Wunderwaffe. Sie haben die bezahlte Werbung für illegale Anbieter spürbar reduziert und sorgen für mehr Transparenz bei lizenzierten Anbietern. Das ist ein Fortschritt, den man anerkennen muss.

Gleichzeitig zeigen die ersten sechs Monate nach Inkrafttreten: Die Werbung ist nicht verschwunden – sie hat sich lediglich verlagert. Von illegalen zu legalen Anbietern, von Ads zu SEO, von kleinen zu großen Playern. Für den durchschnittlichen Nutzer macht das kaum einen Unterschied – er sieht nach wie vor täglich Glücksspielwerbung.

Die eigentliche Herausforderung liegt nicht in Werberichtlinien allein, sondern in einem umfassenden Ansatz: Effektive Durchsetzung dieser Regeln, Schließung der SEO-Lücke, attraktive legale Angebote, die den Schwarzmarkt uninteressant machen, und kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Behörden und Plattformen. Google hat einen Schritt in die richtige Richtung gemacht – aber es ist nur der erste auf einem langen Weg.

Wer also heute noch Glücksspielwerbung sieht, sollte wissen: Das liegt nicht daran, dass Googles Richtlinien wirkungslos wären, sondern daran, dass das Problem komplexer ist als eine Richtlinienänderung es lösen kann. Die Frage ist nicht, ob Werbung verschwindet, sondern ob sie transparenter, verantwortungsvoller und rechtmäßiger wird. Und in dieser Hinsicht sind die neuen Regeln durchaus ein Erfolg – wenn auch ein begrenzter.

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